Der Weisheit letzter Schluss - Die Würde des Menschen Ein kommentierender Wochenrückblick KW 8/23 Ist sie tatsächlich unantastbar? Wurde sie in den letzten drei Jahren wirklich mit Füßen getreten? Darf ich jemandem anderen seine Würde absprechen? Verliere ich meine Würde, wenn ich mich würdelos verhalte? Fragen über Fragen, die mir da in den letzten Stunden durch den Kopf gegangen sind. Auslöser, mich intensiv mit der Würde des Menschen zu befassen, war die mich erschütternde Nachricht vom Tod des bekannten Biologen Clemens G. Arvay und die daraufhin grassierenden Postings in den (A-)Sozialen Medien sowie die zum Teil unwürdigen medialen Nachrufe. Dort wird ja auch zu anderen Themen nicht erst seit heute der Würde des Andersdenkenden kaum bis keine Beachtung geschenkt – und schnell ist man in eine Ecke gestellt oder eine Schublade gepackt, in der man sich noch niemals zuhause gefühlt hat. Das beginnt schon beim Mobbing im Kindergarten oder der Schule, bei dem sich die verantwortlichen Pädagogen mitunter unbedacht oder zum Teil sogar willentlich auf die Seite der „Täter“ schlagen und das „Opfer“ verantwortlich für die Situation machen. Und – wenn ich noch genauer hinschaue – erkenne ich sogar eine generelle gesellschaftliche Sichtweise, in der junge Menschen abgewertet werden. Althergebrachte und tradierte Erziehungs- und Bildungssysteme tragen das ihre dazu bei, dass man den Heranwachsenden die Würde abspricht, in dem man sie zu Objekten degradiert. In der deutschen Sprache manifestiert sich das auch durch die grammatikalische Versächlichung des Kindes. Erhellend dazu sind u.a. die Gedanken des freischaffenden Philosophen Bertrand Stern, der in seinen Ausführungen betont, dass Menschen von Geburt an (und womöglich auch schon davor) Subjekte sind, was ihnen niemals abgesprochen werden darf; auch der leider schon verstorbene Familientherapeut Jesper Juul spricht vom „kompetenten Kind“ und von einer diesem gegenüber notwendigen gleichwürdigen Begegnung. Aber, was halt in dieser Phase des Lebens schon schief geht, prägt unsere Haltung mitunter ein ganzes Dasein lang. Das soll keine Entschuldigung sein, denn Menschen haben das Potential, sich zu verändern, aber es dient mir zumindest zur Erklärung, warum so vieles so falsch läuft. Und selbst bereits über diese Kindheitstraumata hinausgewachsene Menschen laufen Gefahr, in Krisensituationen wieder auf die alten Muster zurückzugreifen. Und derer haben wir ja aktuell auch in der Gesellschaft, also im Großen, mehr als genug. Mit dieser Tatsache lassen sich Woche für Woche meine Kommentare füllen, wobei ich ja nur eine kleine Auswahl von all dem, was passiert, berücksichtige. Was also hat sich in dieser Woche in mein Blickfeld gedrängt? Im Blog für Science und Politik „tkp.at“ des Publizisten Peter F. Mayer hat der Religionskritiker Ronald Bilek auf die Darstellung der Covid-Maßnahmenkritiker im aktuellen Sektenbericht reagiert. Dort werden diese nämlich als Sektierer bezeichnet und vor ihnen gewarnt. Der Zusammenhang wird so zu erklären versucht: „Verschwörungstheorien in Zusammenhang mit dem Coronavirus haben nur sichtbarer gemacht, was schon zuvor in dieser Szene verbreitet war: Wissenschaftsskepsis, kritische bis feindliche Haltung gegenüber der Medizin und die Tendenz, sich aus der komplexen, fordernden Postmoderne zurückzuziehen und eine Parallelwelt aufzubauen, die einfache Antworten bietet und Zugehörigkeit in scheinbar elitären Zirkeln verspricht.“ So weit, so pauschal – und damit die Realität verzerrend und die Würde des andersdenkenden Menschen vergessend. Der Herausgeber jenes Blogs lehnt sich in einem von ihm selbst verfassten Beitrag – im oben beschriebenen Sinn – auch wieder einmal sehr weit aus dem Fenster. In einem sehr umfassenden Beitrag beschreibt er, warum er zum Schluss kommt, dass sowohl Pandemie als auch der seit einem Jahr laufende Ukraine-Krieg geplant waren. Man muss seinen Schlüssen nicht folgen, man kann aber seiner Darstellung und Argumentation durchaus etwas abgewinnen. Jedenfalls gilt es, seinen Gedanken den nötigen Respekt zu zollen, auch wenn man die Ereignisse von einer völlig anderen Seite her betrachtet. Er selbst ist ja – gemeinsam mit Raphael Bonelli und Clemens Arvay – von der Tageszeitung „Der Standard“ im August 2021 zum Impfangstmacher erkoren worden. Im diesbezüglichen Beitrag mit dem Übertitel „Geschäftsmodell Verunsicherung“ schreibt der Journalist Klaus Taschwer „wie Sachbuchautor Clemens Arvay, Psychiater Raphael Bonelli und Blogger Peter F. Mayer, drei Wortführer der Impfskeptiker, zu Österreichs schlechter Impfquote beitragen.“ Das Problem des Artikels besteht nicht in seiner Unzulässigkeit, sondern in der Tatsache, dass den drei Protagonisten Seriosität und Wissenschaftlichkeit ab- und Geschäftemacherei mit der Angst zugesprochen wird, also eine Pauschalverurteilung erfolgt, die deren menschliche Würde unberücksichtigt lässt. In seinem Kommentar zur geplanten Haushaltsabgabe für den ORF wagt sich Bernhard Baumgartner in der Wiener Zeitung auch über die „Würde-Grenze“. Er attestiert darin nämlich jenen, die bisher keine oder nur eingeschränkt GIS-Gebühren bezahlt haben, dass sich diese bislang unter allen möglichen Argumenten davor gedrückt hätten und nun fairerweise auf ihren Freifahrtschein verzichten müssten. Abschließend argumentiert er gegen jene, die meinen, „es solle doch für den ORF zahlen, wer ihn sehen wolle.“ Seiner Meinung nach ist dies aber zu kurz gegriffen, denn: „ Qualitätsvoller, neutraler, informativer und - ja - auch manchmal unbequemer Journalismus ist für das Funktionieren des Staates eine Überlebensfrage.“ Man könne ja gerne freiwillig darauf verzichten, „aber sich auch der Finanzierung dieser wichtigen Dienstleistung zu entziehen … richtet mehr Schaden an als eine monatliche Gebühr, die zudem sozial abgefedert ist.“ Über das, was die Qualität der Berichterstattung des Staatsfunks betrifft, lässt sich trefflich streiten, zuletzt gab es ja mehrere Beschwerden wegen der mutmaßlichen Verletzung des Objektivitätsgebotes in C-Zeiten. Auf andere hinzuhauen ist offenbar schon längere Zeit eine beliebte Methode so mancher Politiker und Journalisten. Noch einmal zu den „Fakten“: Interessant sind in Bezug auf die Einführung der Haushaltsabgabe auch die unterschiedlichen Berechnungen. Offiziell erklärt man ja der Bevölkerung, dass der ORF durch die Umstellung der GIS-Gebühr weniger Zuwendungen seitens der Konsumenten erhalten würde und damit zu drastischen Einsparungen gezwungen wäre. Das bedeute die Auflösung des Radio-Symphonieorchsters (RSO), die Einstellung des Spartenkanals „Sport+“ und der Streamingportale „Flimmit“ und „Fidelio“. Letztere waren aber schon jetzt zumindest zum Teil kostenpflichtig. Andererseits gibt es an dieser Aussage auch berechtigte Zweifel, da durch die Haushaltsabgabe, die zwar billiger als die GIS-Gebühr sein soll, ja wesentlich mehr Menschen zahlungspflichtig werden. Aber soweit sollte man lieber nicht denken, wenn man sich seine Würde wahren will, in einer Zeit, in der man sie schon wegen einer kritischen Sichtweise zu verlieren droht. Auch die Würde des Arbeitnehmers, der ja in manchen Kreisen als der eigentliche Arbeit-Geber bezeichnet wird, steht wieder einmal in Frage. Eigentlich ein aufgelegter Elfer für die schwächelnde Sozialdemokratie, die sich aber derzeit oft auf anderen, auch inneren Kampfplätzen verzettelt und regelmäßig an den Bedürfnissen der Menschen vorbeiproduziert. Zuletzt hatte der ÖVP-Arbeitsminister ja eine Kürzung der Sozialleistungen für Teilzeitarbeitende ins Spiel gebracht, um – wie er euphemistisch anmerkte – die Vollzeitarbeit zu stärken. Nun stellt sich – wenig überraschend – heraus, dass eine Viertagewoche, also eine generelle Arbeitszeitverkürzung, die Zufriedenheit der erwerbstätigen Bevölkerung und damit gleichzeitig ihre Leistungsfähigkeit steigert, wie eine britische Studie folgert. Aber wo wird die Würde des Menschen mehr getreten als in Kriegen, deren es ja viele, auch unbeachtete gibt. Der Focus der (europäischen) Öffentlichkeit liegt derzeit eindeutig beim seit einem Jahr auch bewaffnet geführten Russland-Ukraine-Konflikt. Immer empfehlenswert und immer auch würdig ist der Blick von Gerhard Mangott auf die Geschehnisse, so wie er dies auch in seinem „Ein-Jahres-Resümee" auf Einladung von Idealism Prevails gemacht hat. An anderen Stellen wird der Propaganda und Gegenpropaganda gehuldigt und jene, die sich für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen stark machen, schnell mit würdelosen Titeln verunglimpft, wie „selbstbesoffene Friedensschwurbler“ oder gar „Vulgärpazifisten“. Die Soziologin Eva Illouz wünscht sich in einem Gastkommentar in der Wochenzeitung „Die Zeit“ einen totalen und vernichtenden Sieg der Ukraine, denn „vielleicht kann nur eine vernichtende Niederlage Russland helfen, aus seiner diktatorischen Geschichte herauszufinden.“ Das hat Tobias Riegel auf den Nachdenkseiten zu einer kritischen Replik herausgefordert. Abschließend stellt er sich die Frage, ob die Veröffentlichung des Beitrages just am 80. Jahrestag der Rede von Joseph Goebbels, in der den totalen Krieg forderte, als eine Art der Schock-Propaganda zu verstehen sei oder „nur“ ein Beispiel der Geschichtsvergessenheit sei? „Beides wäre inakzeptabel“, schließt er seine Ausführungen. Derweilen sucht man seitens der NATO und der EU nicht nach Frieden sondern nach Munition. US-Außenminister Blinken hat anlässlich des medial als überraschend bezeichneten Besuch des US-Präsidenten in Kiew in der Vorwoche bestätigt, dass es darum gehe, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine langfristig zu stärken. Gleichzeitig teilte er mit, dass man jeden Winkel der Welt nach Munition absuche, denn die Produktion käme den Anforderungen so schnell nicht hinterher. In Deutschland arbeite man bereits, so die dortige Außenministerin, am Aufbau neuer Produktionsstätten. Da das aber dauere, unterstütze sie den Aufruf ihres US-Amtskollegen. Unterdessen und Angesichts der „Bedrohung durch Russland“ haben 90 Persönlichkeiten in einem offenen Brief die Adaptierung der österreichischen Sicherheitsdoktrin gefordert. Als Beispiel genannt wird Schweden, das sich nach einem jahrzehntelangem Bekenntnis zur Bündnisfreiheit nun zu einem NATO-Beitritt entschlossen hat. Auch der Nationalrat hat sich am vergangenen Freitag im Rahmen einer von den NEOS beantragten Sondersitzung mit dem Thema beschäftigt. In dieser machte der österreichische Bundeskanzler mit folgenden Worten eine Zusage: "Sie haben recht, die muss überarbeitet werden. Wir haben das Verteidigungsbudget nachhaltig erhöht. Es handelt sich aber um kein Aufrüsten, sondern ein Nachrüsten. Wichtig ist: Die militärische Landesverteidigung muss wieder zu einer glaubwürdigen werden." Apropos NATO-Beitritt: die österreichische Verfassungsministerin erteilte in einem ZiB2-Interview dem dafür nötigen Ende der Neutralität eine Absage. Das Interview war zumindest in manchen Momenten von gegenseitiger Entwürdigung geprägt. Der Wahlkampf in Kärnten neigt sich dem Ende zu, am kommenden Sonntag, 5.3.2023, wird dort ein neuer Landtag gewählt. In den öffentlichen Debatten kamen die kleinen wahlwerbenden Gruppen meist unter die Räder: geladen waren nur Vertreter von in Landtag bzw. Nationalrat vertretenen Parteien. Auch das zeigt, dass „Gleichwürdigkeit“ nicht das Maß der Dinge ist. Um sich ein Bild über die Ansichten aller dort kandidierenden Parteien zu machen, hat die Plattform RESPEKT den Spitzenkandidaten je 10 Fragen gestellt. Antworten kamen von SPÖ, FPÖ, Team Kärnten (das aus dem Team Stronach hervorgegangen ist), Grünen, Vision Österreich und KPÖplus. ÖVP, NEOS, das Bündnis für Kärnten (ein Zusammenschluss aus Bündnis Zukunft Österreich, Gemeinsam für Friesach, Eine Gute Option, Freistaat Kärnten sowie Liste Jörg) und die Liste Stark haben auf eine Beantwortung verzichtet. Noch einmal zurück zum tragischen Tod von Clemens G. Arvay und damit zu meinen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Würde des Menschen. Es muss möglich sein, dass ein Mensch seinem Leben selbstbestimmt ein Ende setzt ohne dass die Gerüchteküche zu brodeln beginnt und auch ohne dass dieser Mensch noch einmal durch den – in seinem Fall Corona- - Kakao gezogen wird. Es ist eine Frage der Anerkennung der Würde jedes Menschen, deren Bestehen auch in der Menschenrechtsdeklaration ausdrücklich zu Papier gebracht wurde, ihn in seiner Individualität und seinen Entscheidungen zu respektieren. Ich muss diese nicht akzeptieren, aber ich werde sie anerkennen, um meine eigene Würde zu wahren und sie auch gewahrt zu wissen. Nun weiß ich aber auch, dass es eine menschliche Eigenschaft ist, sich in Zweifelsfällen alles mögliche auszudenken und diese Gedanken auch mit der kleinen und bisweilen sogar großen Öffentlichkeit zu teilen. Diese Eigenschaft tendiert aber dazu, unmenschlich und damit auch würdelos zu werden. Und damit betreten wir auch gefährliches und uns und andere gefährdendes Terrain. Auch in Sachen Covid-Aufarbeitung werden bereits Buße- und Vergeltungsmaßnahmen gefordert, Tribunale sollen abgehalten werden, um die „Schuldigen“ zu bestrafen. „Niemals vergessen, niemals vergeben!“, lautet das Motto. Auch damit betreten wir das oben angeführte Terrain – zum Schaden für alle Beteiligten. „Auge und Auge, Zahn und Zahn“ war noch nie eine gute Vorgangsweise, wenn es um die Aufarbeitung von Fehlern und die mitunter notwendigen Konsequenzen dafür geht. Es ist unzweifelhaft wichtig, jene in die Verantwortung zu nehmen, die sich auch verantwortlich gemacht haben. Diese kann aber auch – und viel besser – unter Wahrung des menschlichen Umgangs und der Menschenwürde geschehen. Jeder Mensch – also auch du und ich – trägt den Keim unmenschlichen Verhaltens in sich. Es ist also möglich, sich in die Schuhe des anderen zu stellen und dessen Weg als einen möglichen zu erkennen – auch wenn er nicht der eigene (geworden) ist. Ereignisse wie der mutmaßliche Selbstmord eines Menschen, der nicht nur auf seine öffentliche Person und seine fundierte und ermutigende Kritik an zahlreichen Maßnahmen in der C-Zeit zu reduzieren ist, sondern auch als private Person mit seinen sehr persönlichen Geschichten wahrgenommen werden muss, geben uns die Möglichkeit, innere Einkehr zu halten und uns zu fragen, wo wir die Würde eines Mitmenschen verletzt und ihn womöglich so sehr gekränkt haben, dass er nicht unbeschadet daraus hervorgegangen ist. Ebenso können wir uns dadurch darauf besinnen, den würdevollen Umgang miteinander ins Zentrum unseres weiteren Menschseins zu stellen. Das – nicht mehr und nicht weniger – ist die wichtigste Lehre aus tragischen Ereignissen wie diesem. Denn auch so wird die Unantastbarkeit der Würde des Menschen bestätigt.
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Ein kommentierender Wochenrückblick – KW 4/23 Nun hat Niederösterreich also gewählt. Und irgendwie fühlt es sich an, als hätten – zumindest politisch - doch alle Beteiligten verloren: die ÖVP nicht nur die absolute Mandatsmehrheit (23 von 56, ein Minus von 6), sondern auch jene in der Landesregierung (4 statt 6 Mitglieder von 9); die SPÖ Platz zwei und damit den Anspruch auf den Landeshauptmannsessel; die FPÖ den möglichen Partner für einen Wechsel an der Spitze des Landes, da sie die SPÖ überholt hat, die Grünen und die NEOS, die nur marginal zulegen konnten und die jetzt als Steigbügelhalter für die Wiederwahl der aktuellen Landeshauptfrau dienen werden müssen, die Kleinparteien MFG, ZIEL und KPÖplus, weil sie in keinem der Wahlkreise, in denen sie kandidieren durften, eine Chance auf ein Direktmandat hatten; sowie die Nichtwähler, die mit 28,48% (ÖVP 28,57%) fast wieder die stärkste Kraft im Land geworden wären und damit wieder einmal wesentlich zur Manifestierung des Status Quo beigetragen haben. Immerhin hat sich die Wahlbeteiligung um etwas mehr als 5 Prozent (von 66,6 % im Jahr 2018 auf 71,52% bei diesem Wahlgang) erhöht, was in Zeiten wie diesen vielleicht doch als zumindest kleiner Erfolg zu werten sein kann. Das Proporzsystem in der niederösterreichischen Landesregierung schweißt die dort vertretenen drei Parteien ÖVP, FPÖ und SPÖ zusammen: sie müssen sich auf eine gemeinsame Linie einigen. Die ÖVP kann nicht mehr alleine entscheiden: sie braucht entweder die SPÖ oder die FPÖ. Im Landtag, der die zukünftigen Mitglieder der Landesregierung wählt, dürfen auch Grüne und NEOS mitbestimmen, in der Regierung sind sie dann aber nicht vertreten, auch wenn sie für den Weiterverbleib des aktuellen Landesoberhaupts votieren. Und dieser Handel um Unterstützung und Posten bedeutet auch, dass hier Zugeständnisse verlangt und auch abgerungen werden können - ein Theater, das so manchem Wähler wieder bewusst machen wird, dass Politik ein schmutziges Geschäft ist und die noch immer zuhauf vorhandenen Nichtwähler in ihrer Sichtweise bestätigen wird. Die Zukunft der Politik wird sich aber nicht mit der Beibehaltung von Partei-Ideologien gestalten lassen, sondern vielmehr über sachliche Zusammenarbeit jenseits dieser Schubladen. Die Herausforderungen für unsere Gesellschaft sind tatsächlich enorm, denn alle bislang gültigen Systeme stehen zumindest auf dem Prüfstand, wenn nicht sogar vor dem Aus: Gesundheit, Bildung, Soziales, Umwelt, Geld und Wirtschaft – überall Baustellen, die nach zukunftsfähigen Lösungen schreien. Dazu eine weiterhin wachsende Zahl von Menschen, die bereit sind, mit anzupacken, aber nicht nach der Pfeife irgendeiner Partei oder Regierung zu tanzen. Das ist auch das Potential, das es zu heben gilt: lokal, regional, kleinräumig – mit dem Blick aufs große Ganze. Die aktuelle Riege der Verantwortlichen scheint aber dazu nicht reif und auch nicht bereit. Zuerst einmal wird in Niederösterreich und womöglich auch auf Bundesebene mal über Personalrochaden diskutiert werden und nicht über programmatische Veränderungen bzw. solche bei der Zusammenarbeit zu Sachthemen. Der neue alte Bundespräsident hat in seiner Antrittsrede (hier im Wortlaut, hier im Video) zu seiner zweiten Amtszeit am 26. Jänner jedenfalls versucht, Wegmarken zu setzen. Gleich zu Beginn weist er auf eine gefährliche Hoffnungslosigkeit hin: „Wir werden unseren gewohnten Alltag verändern müssen. Denn sonst laufen wir Gefahr, unsere Zukunft abzuschaffen. Genaugenommen sind wir schon dabei“, leitete er seine Rede ein. Und ein wenig später: „Zu Leopold Figls Zeiten hatten wir nichts, aber wir hatten die Hoffnung. Glaubt man den aktuellen Umfragen, so scheint es fast, als hätten wir alles, außer die Hoffnung.“ Und gleich darauf fordert er auf, ein Bild von der Zukunft zu zeichnen, auf die man sich wieder freuen kann. Er plädiert für den Kompromiss als Herzstück der Demokratie: für korrekte Information als Basis der liberalen Demokratie; für Politik, die im Interesse des Staates und nicht eines Einzelnen handelt und die Lösungen vorschlagen muss; sowie die Beachtung naturwissenschaftlicher Tatsachen. Zudem sei es wesentlich, „unser freies, europäisches Lebensmodell, aufgebaut auf dem hart erstrittenen Fundament der Menschenrechte“ in Zukunft weiter zu verteidigen. Und dann schließt er mit den Worten, dass er den soeben abgelegten Amtseid wörtlich nehmen, und seine Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen ausüben werde. Das hat den ehemaligen Chefredakteur der Wiener Zeitung in einem Leitartikel in eben dieser Zeitung zu einer grundsätzlichen Betrachtung zum Thema Gewissen in der Politik angeregt. „Ist der Umgang mit der FPÖ eine Gewissensfrage oder doch Teil der alltäglichen demokratischen Konfliktkultur?“, fragt er sich und fordert dringend eine mehrheitsfähige Antwort darauf. Knapp vorher hat das Blatt in seiner Titelstory durchaus tendenziös über das Verhalten der FPÖ während der Bundesversammlung berichtet. So heißt es auf der Titelseite der Ausgabe vom 27.1.: „Die FPÖ dürfte mit Van der Bellens Aussagen nicht zufrieden gewesen sein, als er meinte, Grund-, und Menschenrechte seien unantastbar. Die ganze Fraktion verweigerte den Applaus.“ Und im Beitrag auf Seite drei steht Folgendes zu lesen: „Selbst bei Van der Bellens Satz, dass sich der Nationalsozialismus niemals wiederholen dürfe, soll die FPÖ still gewesen sein, wie mehrere Abgeordnete im Anschluss berichteten.“ Hier zeigt sich einmal mehr das Dilemma der Vierten Gewalt, die sich schwer tut mit der Trennung von Meinung und Bericht. Zwei Aufreger haben in den letzten Tagen die Social-Media-Blasen bewegt: Zum einen ist da ChatGPT, ein Werkzeug der Künstlichen Intelligenz (KI), das Journalisten das Recherchieren und Schreiben, Musikern das Texten und Komponieren und Studierenden das Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten abnehmen kann. Dass wir als Menschen damit nicht abgeschafft werden, sondern uns durch KI sogar besser verstehen lernen, hat Erik Brynjolfsson, Professor für Informationsökonomie an der Stanford University, in einem Gespräch mit der Wiener Zeitung festgestellt – was quasi einer Entwarnung gleich kommt. Zum anderen wurde heiß über die Zulassung von Insekten als Nahrungszusatz diskutiert - wobei vor allem auf die Wichtigkeit von Proteinen einerseits und die mutmaßlich giftige Wirkung von in ihnen enthaltenem Chitin andererseits eingegangen wurde. Was aber tatsächlich besorgniserregend ist, ging in dieser emotional geführten – und die Gesellschaft wieder einmal spaltenden Debatte – unter: dass nämlich von oben verordnet wurde, was nun alle „schlucken“ müssen und die Entscheidung nicht vom Einzelnen getroffen werden kann bzw. eine Ablehnung halt aufwendig ist, weil man recherchieren muss. Aber es gibt auch eine einfache Lösungsmöglichkeit: Konzentrieren wir uns doch endlich auf Direktvermarkter und Selbstversorgung. Auch der in mehreren Medien angekündigte „Supergau“ im Gesundheitsbereich durch das Fehlen von medizinischen Fachkräften belastet die ohnehin schon geplagte Bevölkerung mit einer weiteren Sorge. Aber auch hier können ganz neue Denkansätze – neudeutsch als „out of the box“ bezeichnet – eine völlige Neuaufstellung des Gesundheitssystems ermöglichen, das sich dann nicht an der Behandlung von Krankheiten orientiert, sondern an der Gesunderhaltung der Menschen. Dazu braucht es zwar eine ganze Menge Anstrengungen in verschiedensten Bereichen, wie etwa Umwelt (saubere Luft, sauberes Wasser), Ernährung (gesunde, nachhaltige Nahrungsmittel) und eine stressfreie Existenz (Arbeitsbedingungen, Einkommen). Diese Investitionen aber würden a la longue zu einer wesentlichen Entlastung der medizinischen Fachkräfte führen - sie würden schlicht und einfach weniger gebraucht werden. Und auch die Corona-Aufarbeitung macht wieder kleine Schritte: Acht Kunstschaffende schildern in der Doku „Hauptsache Geimpft“ ihre Erlebnisse während der Zeit, als über eine Impfpflicht diskutiert bzw. diese eingeführt wurde. Damit wollen sie „einen Anstoß zur Aufarbeitung und Wiedergutmachung des Unrechts, das vielen angetan wurde“, geben. Es zeigt sich also, dass im Kleinen und in der Gegenwart das gesät wird, was einst im Großen und in der Zukunft zu blühen beginnen wird. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, bekundet Faust am Ende seines Monologs im gleichnamigen Stück von Johann Wolfgang von Goethe. Und dieser Zweifel befällt so manchen im Hinblick auf eine geordnete Evaluation bzw. Aufarbeitung der Covid-19-Maßnahmen. Da wird derzeit an allen Ecken und Enden wortreich zurückgerudert, wohl in der Hoffnung, dass man darauf nie wieder angesprochen wird. Die stärkste Waffe des Journalisten ist das Archiv, soll der leider zu früh verstorbene ORF-Anchorman Robert Hochner einst gesagt haben. Ich möchte diese wahren Worte gerne aufgreifen und sie über die - leider endgültig dahinscheidende - vierte Staatsgewalt, als die sich Journalisten immer noch gerne bezeichnen – hinaus ausdehnen: Die stärkste Waffe des Menschen ist seine durch Ereignisse, Erfahrungen und faktenbasierte Aufzeichnungen bestätigte Erinnerung. Diese wird ab sofort dringend benötigt, bevor sich die Hauptdarsteller der nun schon fast drei Jahre ausgestrahlten Daily-Soap namens „Corona-Tragödie“ aus der Affäre ziehen können. Die antike griechischen Tragödie hatte Katharsis zum Ziel, eine Läuterung der Zuschauer, die in deren Spiegel bei genauem Hinschauen sich selbst und ihre Verstrickungen und Fehler erkennen konnten – mit dem Effekt, sich zu ändern oder zu bessern. Auch die Schauspieler erlebten in ihren Rollen eine ähnliche Wirkung. Von dieser sind wir aber noch meilenweit entfernt. Jüngstes Beispiel ist die vom Gesundheitsminister angekündigte Änderung des Epidemiegesetzes, um auf so genannte „Gesundheitskrisen“ besser reagieren zu können. Ein bekannter Verfassungsjurist forderte daraufhin sogar die Integration der Impfpflicht. Dabei gilt es doch üblicherweise zuerst einmal zu schauen, was gelungen und misslungen ist, aus Fehlern zu lernen und aktuelle Erkenntnisse in eine Neugestaltung einzubeziehen. Davon ist nichts zu sehen. All die Übergriffe und Probleme, die im Bildungs-, im Gesundheitssystem und bei den „Corona-Förderungen“ passiert sind, sollen in Vergessenheit geraten. All die Menschen und Berufsgruppen, die für die Regierungsagenda missbraucht wurden und die sich eine ehrliche Aufarbeitung sowie Konsequenzen für die handelnden Personen wünschen, sollen weiter ignoriert werden. Die Frage ist auch, wie weit die verstärkt in den letzten Jahren entstandenen „alternativen“ Medien ihre Wirkung in der Bevölkerung, aber auch bei den Kollegen vom Mainstream entfalten können und zu einer differenzierten und kritischen Betrachtungsweise zurückkehren und damit ihrer wirklichen Aufgabe endlich wieder gerecht werden. Vor allem für letzteres wird es aber noch eine ganze Weile brauchen, weil die Verfilzung zwischen Medien, Wirtschaft und Politik mittlerweile schon sehr weit fortgeschritten ist und als „Normal“ betrachtet wird. Im ORF NÖ soll sich ein „System Ziegler“ etabliert haben, das unter Kontrolle der (noch) amtierenden Landeshauptfrau steht, das Bundeskanzleramt gibt – wie einen diesbezügliche Anfragebeantwortung an den Nationalrat ergeben hat - für 104 Mitarbeiter in der „PResseabteilung“ monatlich rund 450.000 Euro aus. Auf diese Weise kann man offensichtlich eine Menge verdienen, während kürzlich eine junge Journalistin davon berichtet hat, dass sie mit ihrer Arbeit für Ö1 nur € 500,- brutto verdient hat und nicht einmal durchgängig versichert war. Sie bezeichnete diese Beschäftigung als „freie“ Mitarbeiterin, der sie vier Jahre lang nachgegangen war, als „glorifizierte Taglöhnerei“. Aber vielleicht ist jegliche journalistische Arbeit in Bälde ohnehin obsolet, weil die Künstliche Intelligenz (KI) das Kommando übernimmt und in Windeseile nicht nur Recherchen durchführen sondern auch ganze Artikel schreiben kann. Von ChatGPT ist in den letzten Tagen eine ganze Menge zu lesen gewesen, mit deren Hilfe ganze Beiträge und sogar wissenschaftliche Arbeiten verfasst werden können. Das hat den Musiker Nick Cave dazu veranlasst, nachdem ein in seinem Stil von der KI komponierten Song aufgetaucht ist, seinen Unmut zu äußern. „This song sucks“, soll er gesagt haben und dass das Ganze „a grotesque mockery of what it is to be human“ ist. Nochmals zurück zur Aufarbeitung – der Covid-19-Maßnahmen und anderer „Skandale“. Resigniert könnte man sagen: „So funktioniert das Werkel halt“. Im ARD ist diesbezüglich derzeit die sechsteilige Serie „Bonn“ zu sehen, die von den Verwirrungen in der nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstehenden Bundesrepublik Deutschland erzählt, die einem zu dieser Schlussfolgerung führen könnte. Damals wurde an so manchem Nazi ein Exempel statuiert, viele aber kamen auch in den neuen Ministerien und Behörden wieder an machtvolle Stellen und mussten sich niemals wie immer gearteten Konsequenzen stellen. Daher fühle auch ich eine gewisse Ohnmacht, wenn ich den Ruf nach Aufarbeitung höre, und diese Bestrebungen auch untersütze, doch fehlt mir der Glaube, dass dies überhaupt und sogar auch noch rasch passiert. Außer: Wir kritischen Bürger lassen es nicht zu, dass diese Rufe nach Aufarbeitung und Konsequenzen - von wem auch immer - zum Verstummen gebracht werden. Inspirierend sind dazu die Gedanken Henry David Thoreaus die er in einem in einem Essay zum zivilen Ungehorsam (englisches Original, deutsche Übersetzung) beschrieben hat. Erste Antworten können alle Wähler auch „ganz gehorsam“ bei einer der bevorstehenden Landtagswahlen in NÖ (am 29.1.), Kärnten (am 5.3.) oder Salzburg (am 23.4.) geben, in dem sie zur Wahl gehen und ihre Stimme einer der wahlwerbenden Parteien geben – auch wenn es schwer fällt. Jeder Nichtwähler wird nämlich im Gesamtergebnis nicht berücksichtigt und stärkt daher die stimmenstärkste(n) Gruppe(n). Meine detaillierten Gedanken dazu habe ich kürzlich hier veröffentlicht. Die Plattform RESPEKT hat allen Spitzenkandidaten in Niederösterreich zehn Fragen gestellt, um den Wählern einen umfassenden Einblick in deren Sichtweisen und Vorhaben zu ermöglichen. Bezeichnend ist auch, dass die „Kleinen“ (ZIEL, MFG und KPÖplus), diese Möglichkeit gerne aufgegriffen haben, auch FPÖ und SPÖ bereitwillig alle Fragen beantwortet haben, jedoch NEOS, Grüne und ÖVP mit keinem Mucks auf die Anfrage reagiert haben. Damit schränkt sich die Wahlmöglichkeit auf bloß fünf Gruppen ein, aber bei denen weiß man dann wenigstens, was man bekommt. Und für Deutschland empfiehlt Jan Fleischhauer in einer Kolumne des Magazin Focus den Bürgern einen Steuerstreik. Auch eine Idee, diesmal schon klar jenseits des Gehorsams, den man von einem braven Staatsbürger erwartet. Der Ideen gibt es sicher noch eine ganze Menge mehr. Sie harren bloß noch der Umsetzung! Denn so wie es aktuell ist, muss es keinesfalls weitergehen, außer wir lassen es (weiterhin) zu. Denn auch wer schweigt, stimmt letztlich zu – wie sich sogar beim Nichtwählen aus Protest zeigt. Diese nicht abgegebene Stimme ist tatsächlich eine verlorene Stimme. |
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März 2023
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